Faktencheck

Luftaufnahme des Neuenheimer Felds (Foto: Venus)

Aus den Beiträgen zur Diskussion um die zukünftige Entwicklung des Wissenschaftscampus Im Neuenheimer Feld

Zur Sache: Befürchtungen, Meinungen, Fragen und Behauptungen, die in den Diskussionen um die zukünftige Entwicklung des Wissenschaftscampus Im Neuenheimer Feld im Raum stehen, prüfen wir im FAKTENCHECK. Ziel ist es, zu einem sachlichen und konstruktiven Dialog im Masterplan-Prozess beizutragen.

  1. "Das Neuenheimer Feld ist ein normales Stadtgebiet von Heidelberg."
    Das Neuenheimer Feld ist ein „Sondergebiet“ für die Wissenschaft, die Medizin und die Krankenversorgung. Als Wissenschaftscampus unterscheidet es sich damit von Wohngebieten oder Industrie- und Gewerbegebieten.
  2. "Durch den Rückgang an Studierendenzahlen sinkt auch der Flächenbedarf der Universität im Neuenheimer Feld."
    Nach aktueller Prognose der Kultusministerkonferenz ist in den kommenden Jahren kein nennenswerter Rückgang an Studienanfängerzahlen zu erwarten. Zudem wird der Flächenbedarf der Universität im Neuenheimer Feld nicht in erster Linie durch Studierendenzahlen bestimmt, sondern von Erfolgen in der Forschung. Die für Projekte im Wettbewerb eingeworbenen Drittmittel der Universität sind in den vergangenen zehn Jahren von rund 150 Millionen Euro im Jahr 2008 auf rund 270 Millionen Euro im Jahr 2018 gestiegen. Das bedeutet nahezu eine Verdopplung von Personal und Flächenbedarfen für Labore, Technik und Büros. Auch die Kliniken wachsen durch zusätzliche Infrastrukturen für die Patientenversorgung.
  3. "Der Flächenbedarf der Universität im Neuenheimer Feld wird sinken, da Arbeitnehmer*innen aufgrund von Digitalisierungsprozessen zunehmend im Homeoffice arbeiten und Studierende ihre Vorlesungen online verfolgen werden."
    Das Wissenschaftsgebiet zeichnet sich durch eine hohe Konzentration an Forschungseinrichtungen und Kliniken aus, in denen Personen beschäftigt sind, die ihren Arbeitsplatz nicht flexibel an einen anderen Ort verlegen können. Ärzt*innen und Pflegepersonal müssen ihre Patient*innen in den Klinikeinrichtungen behandeln. Wissenschaftler*innen benötigen insbesondere in den Natur- und Lebenswissenschaften für ihre Experimente hochspezialisierte Labore. Der intensive persönliche Austausch von Wissenschaftler*innen ist unabdingbar für Innovationen und das Forschungsdesign. Zudem ist die Universität Heidelberg als Forschungsuniversität eine Präsenzuniversität. Vom ersten Semester an arbeiten Studierende eng mit erfahrenen Wissenschaftler*innen zusammen und werden von ihnen auf der Grundlage von aktuellen Forschungserkenntnissen ausgebildet. Der persönliche Austausch zwischen Studierenden und Wissenschaftler*innen in Vorlesungen, Seminaren und Laborpraktika kann durch E-Learning ergänzt, jedoch nicht ersetzt werden.
  4. "Die Zuwachsprognose von 800.000 m² Bruttogrundfläche betrifft ausschließlich die Universität und ist nicht realistisch."
    Die Zuwachsprognose von 800.000 m² Bruttogrundfläche betrifft alle wissenschaftlichen Forschungs- und Lehreinrichtungen im Neuenheimer Feld. Neben der Universität sind dies das Universitätsklinikum, das DKFZ, das Nierenzentrum, die Pädagogische Hochschule, das Max0-Planck-Institut für medizinische Forschung, das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Studierendenwerk, der Olympiastützpunkt Rhein-Neckar und die Gästehäuser der Universität. Die Zuwachsprognose der Universität beläuft sich auf 368.000 m² Bruttogrundfläche. Sämtliche Flächenbedarfe der wissenschaftlichen Einrichtungen wurden vom baden-württembergischen Wissenschaftsministerium sowie dem Finanzministerium als realistische Zuwachsprognose bestätigt.
  5. "Die Universität und das Universitätsklinikum weigern sich, ihre bis 2050 geplanten Flächenzuwächse nach Instituten und Kliniken aufzuschlüsseln."
    Die kurzfristigen Flächenbedarfe der Universität sowie des Universitätsklinikums sind in Teilen bereits finanziert, für die kommenden Jahre geplant und absehbar. Dabei ist zu beachten, dass abhängig von Entwicklungen in der Forschung, wissenschaftlichen Innovationen und Drittmitteleinnahmen, die nicht für die kommenden Jahrzehnte vorhergesagt werden können, der Bedarf weiter ansteigen wird. Je erfolgreicher Einrichtungen Drittmittel einwerben, desto mehr Flächen werden benötigt. Eine genaue Aufschlüsselung von Flächenbedarfen einzelner Institute und Kliniken bis 2050 ist daher aktuell nicht realisierbar.
  6. "Die Universität darf den Hühnerstein bebauen, wenn sie eine andere Fläche von der gleichen Größe abgibt."
    Es existiert ein rechtskräftiger Bebauungsplan aus dem Jahr 1970, der eine Bebauung des Bereichs Hühnerstein zulässt und bereits zum jetzigen Zeitpunkt ermöglicht. Diese Flächen sind überwiegend im Besitz des Landes. Auch in der Rahmenvereinbarung des Masterplan-Verfahrens wird das Baurecht für den Hühnerstein nicht infrage gestellt.
  7. "Die Universität möchte das Handschuhsheimer Feld bebauen."
    Außer für den Bereich Hühnerstein (siehe Punkt 6) gibt es keine Planungen, die zusätzliche Flächen im Handschuhsheimer Feld betreffen.
  8. "Die Universität sowie weitere wissenschaftliche Einrichtungen können freie Flächen in anderen Stadtgebieten von Heidelberg für den Ausbau nutzen."
    Für den Erfolg von Forschung und Wissenschaft ist der persönliche Austausch zwischen Wissenschaftler*innen von zentraler Bedeutung. Dieser im Wettbewerb ausschlaggebende Faktor kann nur durch kurze Distanzen zwischen Forschungseinrichtungen auf dem Wissenschaftscampus ermöglicht werden. Vor allem für die gemeinsame Nutzung von Forschungsinfrastrukturen wie Großgeräte und Labore durch Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Einrichtungen ist eine enge räumliche Nähe und die technisch-infrastrukturelle Vernetzung (z.B. über unterirdische Karrengänge) zwischen Instituten und Kliniken erforderlich. Die Infrastruktur an Technik und Gebäuden auf dem Universitätsgebiet INF wird mit einem Wert von über drei Milliarden Euro veranschlagt. Die hohe Konzentration an wissenschaftlichen Einrichtungen im Neuenheimer Feld stellt europaweit ein Alleinstellungsmerkmal dar und bedeutet auch im weltweiten Vergleich einen klaren Wettbewerbsvorteil.
  9. "Auf dem Campus Im Neuenheimer Feld soll Wohnraum für alle geschaffen werden."
    Das Neuenheimer Feld ist ein Wissenschaftscampus und kein allgemeines Wohngebiet. Auf dem Campusgelände wohnen bereits rund 3.400 Personen mit klarem Bezug zum Wissenschaftscampus.
  10. "Die Universität überschreitet den Klausenpfad, da sie den Botanischen Garten auf eine Fläche nördlich des Klausenpfades verlegen möchte."
    Der Botanische Garten, der in Teilen unter Denkmalschutz steht, soll auf seiner aktuellen Fläche bestehen bleiben. In den 1980er Jahren wurde eine Verlagerung des Botanischen Gartens auf eine Fläche in das Gelände „Hühnerstein“ in Erwägung gezogen. Dieser Planungsstand ist seit 2014 überholt.
  11. "Das DKFZ lehnt die Einführung eines Jobtickets für seine Mitarbeiter*innen ab."
    Aktuell nutzen mehr als 600 Mitarbeiter*innen des DKFZ ein Jobticket der RNV. Aus rechtlichen Gründen kann das DKFZ seinen Mitarbeiter*innen bisher kein bezuschusstes Jobticket anbieten. Dies untersagt der Bund als Zuwendungsgeber.
  12. "Der motorisierte Individualverkehr wird dadurch gefördert, dass im Neuenheimer Feld zu viele Parkplätze vorhanden sind. Zudem existieren über 2.000 kostenlose PKW-Stellplätze, die nicht in die Parkraumbewirtschaftung mit Parkgebühren integriert werden."
    Von den rund 8.900 PKW-Stellplätzen im Neuenheimer Feld sind ca. 7.300 in der Parkraumbewirtschaftung enthalten und somit gebührenpflichtig. Die bewirtschafteten PKW-Stellplätze setzen sich aus 6.400 Parkplätzen der Landeseinrichtungen und 900 Parkplätzen der Stadt zusammen. Die rund 1.600 nicht bewirtschafteten PKW-Stellplätze umfassen 240 landeseigene Parkplätze bei den Sportflächen nördlich des Klausenpfades, ca. 800 Parkplätze der Bundeseinrichtungen, ca. 120 Parkplätze der Stadt (Sportzentrum Nord und Technologiepark) sowie ca. 500 privat genutzte Parkplätze.
  13. "Auf einem autofreien Campus wird es keine Autos geben."
    Auch auf einem grundsätzlich autofreien Campus sind Betriebs- und Rettungsfahrzeuge erforderlich. Darüber hinaus müssen Patient*innen Klinikeinrichtungen mit dem eigenen Auto erreichen können.
  14. "Die Universität lehnt die Erschließung des Neuenheimer Feldes durch eine Straßenbahn ab."
    Die Universität hat eine Straßenbahn im Neuenheimer Feld niemals grundsätzlich abgelehnt. Einwände richteten sich gegen die damals geplante Führung und Ausgestaltung der Trasse, die mit erheblichen Beeinträchtigungen des Forschungsbetriebs und einer Zerschneidung des zusammenhängenden Campusgebietes verbunden gewesen wäre. Ziel des Masterplan-Prozesses ist ein zwischen Land, Stadt und Universität abgestimmter Bebauungsplan. Dieses Planungsinstrument umfasst die verkehrliche Erschließung und macht den Bau einer Straßenbahn zur Anbindung des Neuenheimer Feldes auch nach dem Gerichtsentscheid möglich.
  15. "Einrichtungen im Neuenheimer Feld bieten ihren Beschäftigten keine flexiblen Arbeitszeitregelungen an, sodass eine Entzerrung des Straßenverkehrs nicht möglich ist."
    Nahezu alle Einrichtungen, darunter die Universität und das DKFZ, bieten ihren Mitarbeiter*innen Gleitzeit als Arbeitsmodell an. Es wird geprüft, inwieweit Verkehrsspitzen durch eine weitere Flexibilisierung von Arbeitszeiten im Neuenheimer Feld verringert werden können. Eine Änderung der Schichtzeiten in den Kliniken ist nicht möglich.
  16. "Arbeitgeber*innen im Neuenheimer Feld lehnen die finanzielle Förderung einer VRNnextbike-Mitgliedschaft für Beschäftigte ab."
    Derzeit gibt es im Neuenheimer Feld bereits sechs VRNnextbike-Stationen (vier feste und zwei virtuelle) mit insgesamt 210 Fahrrädern. Weitere Standorte werden geprüft. Studierende der Universität können VRNnextbike-Fahrräder bereits im Rahmen der Kooperation zwischen der Verfassten Studierendenschaft und nextbike pro Fahrt 30 Minuten lang kostenfrei nutzen. Das Land Baden-Württemberg führt im Jahr 2020 für einen Teil seiner Beschäftigten ein Radleasing-Angebot ein.
  17. "Das Verkehrsproblem muss gelöst werden, bevor die Universität und andere wissenschaftliche Einrichtungen im Neuenheimer Feld wachsen können."
    Die Verkehrsproblematik INF/Berliner Straße wird nur zum Teil von den Einrichtungen im Neuenheimer Feld verursacht. Unter anderem wird die Berliner Straße auch dadurch belastet, dass sie einen Teil des Nord-Süd-Durchgangsverkehrs durch Heidelberg aufnimmt. 27 Sofortmaßnahmen zur besseren Erreichbarkeit des Neuenheimer Feldes werden zurzeit realisiert. Der Masterplan-Prozess soll weitere Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen, die parallel zur baulichen Entwicklung des Campus umgesetzt werden können.
  18. "Die Gebäude auf dem Campusgelände Im Neuenheimer Feld sind nicht energieeffizient, da bei ihrer Planung die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele nicht ausreichend berücksichtigt werden."
    Alle Neubauten der Universität im Neuenheimer Feld werden energieeffizient errichtet und sind zu einem großen Teil mit einer Energiezertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) oder des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen (BNB) ausgezeichnet. Auch bei Erweiterungs- und Sanierungsmaßnahmen werden die Klimaschutzziele erreicht und die entsprechenden Effizienzvorgaben berücksichtigt. Gemäß dem Erlass des Bundes und der Länder für mit Steuermitteln finanzierte Gebäude werden sämtliche zulässigen Höchstwerte um mindestens 30 Prozent unterschritten. Die Universität Heidelberg bezieht seit Jahren ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen. Das Energie- und Klimaschutzkonzept für Liegenschaften des Landes Baden-Württemberg wird aktiv umgesetzt.

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